Sonntag, 28. September 2014

Col du Linge, Riquewihr & Haguenau

Nach einer kurzen Zeit der Abwesenheit auf diesem Blog, mag ich Euch heute nochmal von meinen Erlebnissen der letzten paar Tage berichten.

Nachdem die vorletzte Schulgruppe weniger aus historischen Gründen den Weg ins Elsass auf sich genommen hat, sondern der Ausflug vermutlich viel eher als Resozialisation verstanden werden sollte, hat sich die letzte Woche als extrem lehrreich herausgestellt. Es handelte sich um eine Gruppe von Oberstufenschülern aus der Nähe von Hamburg, die sich als Seminarfach das Thema "Elsass" ausgesucht haben. Das heißt, dass man während der gesamten zweijährigen Oberstufe eine Doppelstunde pro Woche besucht, die sich mit der elsässischen Geschichte und Kultur befasst. Beendet wird der Unterricht durch eine Facharbeit zu einem bestimmten Unterthema, wie zum Beispiel Töpferei oder Weinanbau. Die Krönung dieses Seminarfaches ist die einwöchige Fahrt nach Niederbronn-les-Bains - und davon konnte auch ich sehr profitieren!

Am Donnerstag haben wir uns auf den Weg zum Col du Linge gemacht, einem in den Südvogesen in der Nähe von Colmar liegendem Schlachtfeld aus dem Ersten Weltkrieg. Nach einer dreistündigen Fahrt durch erdrückenden Nebel kamen wir dann doch mal an, man sollte niemals die Größe des Elsass unterschätzen! Nachdem wir uns im ansässigen Museum einen Film über die Geschichte der Schlachten zwischen deutschen und französischen Soldaten am Col du Linge im Jahre 1915 angeschaut haben, sind wir durch die Schützengräben gelaufen, die von der deutschen Armee in den Berg gegraben und gebaut worden sind. Man erkennt keinerlei Ordnung oder Struktur in der Bauweise und die Gräben variieren von großen über kleinen zu fast unpassierbaren Durchmessern. Wenn ich mich schon um meine eigene Körperachse winden muss, um in die verschiedenen Gänge zu kommen, ist es fast unvorstellbar, wie sich erwachsene, bewaffnete Männer in Uniform und Rucksack durch die Gräben gewunden haben, dazu noch im Hagel der Geschosse und Granaten. In den Schützengräben waren teilweise kleine Kammern eingegliedert, die den Blick auf die französische Linie freigegeben haben. In einem dieser Erdlöcher habe ich eine in den Felsen geschlagene Inschrift eines deutschen Pionieres gefunden, was ich ziemlich beeindruckend fand.
Nachdem wir uns das Schlachtfeld angesehen haben, sind wir weiter zu der deutschen Kriegsgräberstätte gegangen. Der wohl eklatanteste Unterschied zum Soldatenfried aus dem Zweiten Weltkrieg in Niederbronn waren die jüdischen Grabsteine, von denen es einige gab.








Da der Vormittag ganz der deutsch-französischen Geschichte gewidmet war, durften wir den Nachmittag ganz ohne Programm in Riquewihr verbringen, einem elsässischen Winzerdorf. Beschallt mit der dramatischen Stimme Udo Jürgens, der uns vom "Griechischen Wein" vosang sind wir die Elsässische Weinstraße entlang gefahren bis uns die Dächer von Riquewihr im Sonnenschein begrüßten. Der Ort könnte direkt aus dem Mittelalter entrissen und ins 21. Jahrhundert transportiert worden sein, denn die kleinen, kurvigen Gassen bestehen ausschließlich aus bunten, schiefen Fachwerkhäusern. Die vielen Blumen - eine typisch französische ville fleurie - haben diese malerische Kulisse so schön ergänzt und ich war ziemlich glücklich, dass ich an diesem Tag die Schule begleiten durfte. Aber nicht nur wir haben von dem Reiz Riquewihrs gewussr, sondern auch Hunderte von Touristen, die die Straßen des Dorfes bevölkert haben. Den Altersdurchschnitt der Besucher haben wir an diesem Tag ganz sicher um einige Jahre gesenkt.






Dieses Wochenende haben sich Paula, Janine, Theresa und ich den Centre-Bus ausgeliehen und uns auf den Weg nach Haguenau gemacht, der nächstgrößeren Stadt von Niederbronn aus. Dort haben wir Sophie abgeholt, eine andere Freiwillige aus dem Elsass, und alle zusammen einen schönen, sonnigen Herbsttag verbracht. Die Innenstadt ist klein und fein, es gibt wirklich viel zu sehen und zu schmecken - beispielsweise "confiture de lait", worunter ich mir absolut nichts vorstellen konnte. Mittlerweile weiß ich, dass es sich um einen Aufstrich aus Milch, Zucker und Vanille handelt. Das Eis hat allerdings ein bisschen nach Orange, Caramel und ganz viel Zucker geschmeckt, vorerst brauche ich diesen Geschmack nicht mehr. Da hat mir meine zweite Kugel "vanille-châtaigne", also Vanille-Esskastanie, um einiges besser gemundet.
In Haguenau selbst haben wir einen kleinen Buchladen entdeckt, der zauberhaft war. Überall standen Bücherstapel rum, auf dem Boden, auf den Tischen, man musste sich durch winzige Zwischenräume schieben, um zum nächsten Regal zu gelangen und ich habe ständig in der Angst gelebt, dass ich durch meine Bewegungen ein paar Bücher zu Boden reißen würde. Gepackt von meiner Motivation, habe ich mir einen Roman gekauft, um so vielleicht ein bisschen Französisch lernen zu können.
Den Abend haben wir kulinarisch ausklingen lassen, als wir zurück in unserer WG Spaghetti mit selbstgemachtem Pesto vom Performance Day im Centre, bei dem eine Schulklasse einen Tag lang ein Dreigängemenu gekocht hat, geschmaust haben. 

Den heutigen Sonntag verbringe ich im Bett, da ich mir wie jedes Jahr, geblendet vom herbstlichen Sonnenschein und so begeistert von der Idee, mitten in der Nacht im See schwimmen zu gehen, eine Erkältung eingefangen haben.
Euch allen ein schönes Wochenende!

Freitag, 19. September 2014

Pommes, Pommes, Pommes

Eine Begrifferklärung vorab - "la pomme" ist das französische Wort für Apfel und genau dieses Obst hat meine Woche hier ganz entscheidend geprägt!
An unserem freien Tag sind Theresa und ich mit dem Minibus zu ein paar Feldern außerhalb von Niederbronn gefahren und haben uns auf Apfelernte begeben. Innerhalb von kurzer Zeit hatten wir tatsächlich eine riesige Menge köstlicher, frisch vom Baum gepflückter Äpfel zusammen und haben uns schwer beladen zurück in unsere Wohnung begeben. Den Rest des Tages haben wir grob gesagt nur noch mit Äpfel schälen und schneiden, die Stücke zu Apfelmus und Kompott verarbeiten und Apfelkuchen backen verbracht. Der Versuch, selbst Apfelringe herzustellen ist leider kläglich gescheitert... Den Duft von Zimt und Äpfeln werde ich so schnell wohl nicht mehr aus der Nase bekommen :)










Sonntag, 14. September 2014

Oh là là, le temps passe vite.

Hallo ihr Lieben, genau jetzt erwartet Euch ein neuer Blogeintrag, in dem ich Euch von meiner zweiten Woche im Centre und meinem Wochenendtrip nach Straßburg berichten möchte - viel Spaß beim Lesen :)

Da nun die Sommerferien in den meisten deutschen Bundesländern beendet sind, fängt jetzt die Saison an, in dem das Centre seine Türen für Schülergruppen öffnet, die ihre Klassenfahrt im Elsass verbringen. Am Montag haben wir eine Gruppe von Achtklässlern aus Nordrhein-Westfalen empfangen, der ein umfangreiches und vollwertiges Programm für ihre Woche in Frankreich geboten wurde.
Neben den üblichen Punkten wie der Friedhofstour und der Einführung in die elsässische Geschichte, kamen noch eine Fahrt nach Straßburg samt Straßeninterview zum Thema Identität, eine Nachtwanderung auf die Wasenbourg - bei der wir prompt drei Lehrer und drei Schüler verloren haben - und ein Outdoor Day in den Wäldern dazu. Bei dem letzten Punkt war ich leider nicht eingeteilt, aber bei der nächsten Gruppe werde ich sicher auch die Gelegenheit bekommen, mitzumachen. Was ich jetzt hervorheben möchte ist der letzte Abend, an dem die Reise mit einem Flammkuchenabend abgerundet wurde. Neben der traditionellen salzigen "tarte flambée" mit Zwiebeln, Speck und Bibeleskäs, gibt es noch die süßen Varianten mit Äpfeln und Zimt oder Banane und Schokolade. Das war ein kulinarisches Fest für den Geschmackssinn :)

Am Samstag hatte ich frei und so habe ich mich mit Janine und Paula nach Straßburg begeben, einerseits um die Stadt kennen zu lernen, andererseits um der dörflichen Idylle für einen Tag zu entkommen. Hier lernt man die Möglichkeiten einer Stadt erst so richtig zu schätzen und so wurde der Tag im hektischen, lauten und dabei doch so schönen Straßburg ein wahrer Genuss für uns drei.
Die touristischen Attraktionen haben wir uns für den Wochenendtrip im Oktober aufgehoben, den alle Freiwilligen miteinander verbringen werden und bei dem das Programm dann aus einem Besuch der Kathedrale, einer Bootstour durch La Petite France und ein paar Museen bestehen wird. Somit hatten wir am Samstag also viel Zeit, einfach durch die Gegend zu schlendern, die Stadt auf sich wirken zu lassen und ein bisschen seines Volontärsgehalt auf den Kopf zu schlagen ;)
Wir haben ein wirklich schönes Café gefunden, was mich mit seinem alternativen und gemütlichen Charme und dem Milchkaffeeverzaubert hat und ich freue mich schon total, das nächste Mal in Straßburg wieder einen Abstecher dorthin zu machen. Falls jemand mal zufällig in der größten Stadt des Elsass sein sollte, dann solltet ihr euch "Mémé dans les Orties" nicht entgehen lassen!
Was auch noch eine Erwähnung wert ist, sind zwei Geschäfte, die wir abseits des Rummels um den Münster gefunden haben. Zum Einen ein Laden, der typische Keramikobjekte aus dem Elsass angeboten hat, von großen Töpfen für Sauerkraut und Kartoffeln über Gugelhupf-Formen bis hin zu kleinen Herzen mit einem traditionellen Muster - so eins habe ich mir dann auch selbst geschenkt und es hat schon einen schönen Platz in meinem Niederbronner Zimmer gefunden! Zum Anderen ein Geschäft, das Bier aus allen Herren Länder angeboten hat. Das wirkt jetzt auf den ersten Blick nicht so besonders, aber es gab keine Standardsorten, sondern nur besondere Biere mit Geschmäckern, schönen Etiketten und den unterschiedlichsten Stärken. Das offizielle Münchner Hofbräuhaus Bier gab es natürlich auch, das hat mich direkt an das Oktoberfest erinnert! An dieser Stelle eine dicke Umarmung an Filiz :)














Auf dem Rückweg haben wir uns vollkommen auf die Zeitangaben des Prospekts der Öffentlichen Verkehrsmittel verlassen und uns die letzte Zug- und Busverbindung über Haguenau ausgesucht. Tja, dumm nur, wenn diese Angaben nicht der Realität entsprechen und man sich abends am ausgestorbenen Bahnhof wiederfindet... Da wir aber nicht die Einzigen waren, die dem Prospekt blind vertraut haben, wurden wir von einer Frau bis nach Niederbronn mitgenommen, das war wohl mit das Beste, was uns passieren konnte!

Nach diesem wunderbaren Samstag durfte ich am heutigen Sonntag wieder im Centre arbeiten, was heute auch wieder was komplett anderes war, als die Tage zuvor. Eine Gruppe des Souvenir Français, das französische Pendant zum deutschen Volksbund, wurde mit einem Vier-Gänge-Menu verwöhnt, bei dem jeder Gang einzelnd auf den Tellern arrangiert und mit Riesling, Pinot Noir oder Rotwein serviert wurde. Angefangen hat es mit einer pâté en croute, als Hauptspeise gab es bouchée à la reine, danach eine Käseplatte mit dem elsässischen Munster, Camembert und Roquefort und als Krönung einen großen Eisbecher mit Pfirsichen. Bon appétit!

Nun gelange ich auch schon ans Ende dieser Woche, die ich jetzt selbst nochmal schön Revue passieren lassen konnte!




Sonntag, 7. September 2014

Extrêmement contente!

Guten Abend meine Lieben!
So schnell wie die Zeit hier vergeht, komme ich mit dem Bloggen gar nicht mehr hinterher. Jedenfalls ist die erste Woche wirklich wie im Fluge vergangen und wenn ich diese ersten Tage in Niederbronn mit drei Worten zusammenfassen müsste, wären es diese hier: Freude, Spaß und Glück :)

Am 1. September habe ich offiziell meinen Freiwilligendienst im Centre International Albert Schweitzer angefangen und habe dann auch endlich meine Mitfreiwillige Theresa kennen gelernt, mit der ich auch in der WG lebe. Mit ihr und auch mit den drei anderen Freiwilligen verstehe ich mich super gut. Zusammen bilden wir jetzt ein deutsch-dänisch-österreichisches Gespann! Das Französischsprechen ist da natürlich nicht ganz so selbstverständlich und man muss sich wirklich am Riemen reißen, nicht aus Bequemlichkeit ins Deutsche zu fallen. Ich denke aber, dass wir das über die nächste Zeit ganz gut hinbekommen werden, denn wozu sind wir schließlich alle nach Frankreich gegangen?

Doch zurück zum Centre und meiner ersten Arbeitswoche - meine Kollegen habe ich nun alle kennen gelernt und die Atmosphäre untereinander ist wirklich angenehm und total herzlichen, da fühlt man sich gleich willkommen und motiviert, sein Bestes zu geben :)
Da in der ersten Zeit noch eine deutsch-russische Selbstversorgergruppe das Centre bewohnt hat, war die Arbeit für uns nicht das Alltagsleben, was wir ab mächster Woche geboten bekommen, sondern eine wunderbare Gelegenheit, all das zu machen, was auch wichtig ist, wofür ansonsten aber nicht so viel Zeit bleibt.
Montags kam eine Gruppe von Frauen aus dem Seniorenheim in Niederbronn ins Centre, die von unserem Chef in die Geschichte der Kriegsgräberstätte eingeführt wurden, die Dauerausstellung besucht haben und ein paar der Einzelschicksale der auf dem Friedhof begrabenen Soldaten präsentiert bekommen haben.
Am Dienstag sind wir beispielsweise hoch zur Wasenbourg gewandert, wo sich auch schon Goethe rumgetrieben hat! Nächste Woche sind wir Freiwilligen für eine Nachtwanderung in diese Ruine in den Anfängen der Nordvogesen verantwortlich. Angeblich kann man von dem Hang der alten Burg die Spitze der Kathedrale in Straßburg sehen - das kann ich allerdings nicht bestätigen, was aber wahrscheinlich an den ganzen Bäumen liegt, die die Wasenbourg ein wenig von der Außenwelt abschneiden.
Am Mittwoch hat uns unser Weg mit dem Minibus zum Struthof geführt, wo sich während des Dritten Reiches das Konzentrationslager Natzweiler befand. Damals auf der Drittortbegegnug mit Franz-Bac haben wir den Hang mit den Baracken, den Appellplätzen, dem Krematorium und dem Gefängnis in strahlendem Sonnenschein erlebt, letzte Woche war das ganze Gelände jedoch unter einer dicken Schicht Nebel, diesigem Wetter und Kälte begraben, was das alles komplett anders hat wirken lassen. Der Effekt war um einiges bedrückender, auch weil wir keine Führung hatten, sondern uns unabhängig durch das Museum zum Gelände vorgearbeitet haben. Dabei hatte man viel mehr Zeit zur Reflektion dessen, was man gerade gesehen und wahrgenommen hat.
Heute haben wir unseren Chef samt einer Gruppe von bayrischen Lehrern auf einer Tour rund um das Schlachtfeld bei Woerth und Reichshoffen begleitet, die gefühlt alle zehn Meter ein mehr oder weniger imposantes Denkmal beherbergt. Auch wenn sich die Schlacht von Reichshoffen im deutsch-französischen Krieg von 1870/1871 abgespielt hat, konnte man sämtliche Monumente noch mit den Befreiungskriegen unter Napoleon, dem Ersten Weltkrieg, der Kolonialsierung und dem Algerien-Krieg verbinden, was extrem komplex ist. Deswegen habe ich mir am Ende des Tages auch einen dicken Stapel über die verschiedenen historischen Ereignisse ausgedruckt, um wenigstens das Wesentliche sämtlicher Beziehungen in der europäischen Geschichte zu verstehen.
Meine erste historische Woche wurde dadurch abgerundet, dass wir als Freiwillige für die Akten der Einzelschicksale teilweise zuständig sind und zum Beispiel eine Mappe zusammenstellen durften, in der sich alte Feldpostbriefe, persönliche Fotos oder andere Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg befanden. Einen Dankesbrief an den Sohn eines gefallenen Soldaten, der uns die Biographie seines Vaters gesendet hat, durften wir auch verfassen. Dass längst nur ein Bruchteil der Einzelschicksale erfasst ist und dass die Arbeit damit ziemlich aktuell ist, wurde am Besten dadurch gezeigt, dass erst letzte Woche eine Frau ins Centre kam, die zum ersten Mal am Grab ihres Vaters war und uns ein wenig über sein Leben erzählt hat, sodass wir nun eine weitere Identität zurückgeben konnten.
Was mir an der Arbeit mit den Einzelschicksalen sehr gut gefällt, ist, dass niemand gezwungen wird, die Geschichte eines Familienmitglieds der Öffentlichkeit preiszugeben, sondern das alles auf einer Basis absoluter Willensfreiheit passiert!

Ab morgen früh fängt dann die Arbeit an, so wie sie uns bis Dezember nun von Woche zu Woche erwarten wird - die Ankunft von Schulgruppen, das gemeinsame Programm, die Arbeit in der Küche, das Dokumentieren von geschichtlichen Aspekten und nicht zu vergessen, wir müssen uns so einiges an Wissen aneignen, um später auch mal eine Führung über den Friedhof oder den Strufhof geben zu können.
Das liegt aber momentan noch in weiter Ferne, sodass ich erstmal die momentanen Erlebnisse voll und ganz auskoste :)